In Leipzig hat die Tanz-Weltmeisterschaft vor ein paar Wochen erneut tausende Menschen begeistert. Tanzen ist in, der Zulauf in den Tanzschulen ungebrochen. Doch wer nicht nur beim Discofox auf Partys glänzen will, sondern leistungsorientierten Turniertanz betreibt, muss sehr viel investieren.
„Moon River“ erklingt aus den Boxen im Trainingssaal des Tanzsportzentrums Leipzig e. V. in Gohlis. Es ist Dienstag, 10 Uhr. Isa-Bella Muschter und Moritz Büttner, beide in langer schwarzer Hose und schwarzem Top, dehnen sich und machen sich für die kommenden Trainingsstunden an diesem Vormittag warm. Nach den ersten Tanzschritten zum langsamen Walzer korrigiert Trainerin Tina Spies- bach-Hepke wieder und wieder Details in der Tanzhaltung des Paares. Gerader Rücken, langgestreckter Hals, Ellenbogen auf gleicher Höhe.
Tanzsport kostet Zeit – aber auch sehr viel Geld
Alltägliche Trainingsarbeit des Tanzpaares. Denn bis auf einen Tag in der Woche haben die beiden 21-Jährigen jeden Morgen Einzeltraining. „Wir können nur um diese Zeit, weil am Nachmittag die Arbeit beziehungsweise das Studium ruft. Und dann haben wir mehrmals in der Woche abends noch Gruppentraining, wo wir mit anderen Paaren tanzen“, er- klären Muschter und Büttner. Rund 20 Trainingsstunden kommen so wöchentlich zusammen. Dazu indi- viduelle Kraftsport- oder Ausdauer- einheiten zu Hause. Der jahrelange zeitliche und sportliche Aufwand hat sich gelohnt. Isa-Bella Muschter und Moritz Büttner gehören zu den besten Amateurtanzsportpaaren in Sachsen. Beide tanzen im Standard in der Hauptgruppe S, der höchsten Leistungsklasse. Bei den Sächsischen Landesmeisterschaften ertanzten sie kürzlich den dritten Platz.
„Bevor man einen Kaderstatus erhält, muss man sehr viel Geld aus privater Hand reinstecken“, erzählt Muschter. Aktuell tanzen die bei- den zwar in der höchsten Leistungsklasse, aber im Landeskader sind sie nicht. Das hängt damit zusammen, dass sie erst seit einem Dreivierteljahr als Paar zusammen tanzen. In jüngeren Jahren und mit anderen Partnern gehörte Büttner zur sächsischen Kaderauswahl – Muschter noch nicht. Um einen solchen Kaderstatus zunächst auf Landesebene zu erhalten, muss man sich durch viele Turniere tanzen und mit Leistung und vorderen Platzierungen überzeugen.
Im Laufe der eigenen Tanzkarriere kostet dies so einiges, sagen Muschter und Büttner. Denn ohne Kaderstatus gibt es keine finanzielle Hilfe, kein Kadertraining beim sächsischen Landestanzsportverband und keine Zuschüsse für die Tanzkleidung. Büttner hat deshalb im Laufe seines Tanzsportlebens bezüglich sei- ner Wünsche zu Weihnachten oder den Geburtstagen Kompromisse gemacht, sich Tanzkleidung statt etwas anderes gewünscht. „Geht nicht anders. Denn sich unterm Jahr neue Tanzkleidung und Schuhe nebenbei zu kaufen, wäre viel zu teuer.“
Die Fräcke für Standardtänze müssen maßgeschneidert sein und kosten rund 1.500 Euro pro Frack. Standardkleider kauft Muschter stets gebraucht. Kostenpunkt rund 2.500 Euro pro Kleid. „Man trägt so ein Kleid einmal, dann verkauft man es und vom Erlös kauft man ein anderes. Neu wären solche Kleider um ein Vielfaches teurer“, erklärt sie. Dazu kommen pro Jahr vier bis fünf Paar Trainingsschuhe und mindestens zwei Paar Turnierschuhe. Und nicht zu vergessen: die Einzel-Trainerstunde. Bis zu 125 Euro bezahlt man für 45 Minuten Training. Ohne ihre Eltern, so sagen Muschter und Büttner, hätten sie dies nie bewältigen können.
Tanzen steht an erster Stelle
Bei Isa-Bella Muschter und Moritz Büttner bestimmt der Tanzsport den Tag. „Ich muss mein Studium dem Tanzen anpassen, damit sich Training, Turniere und Klausuren nicht überschneiden“, erklärt Jura-Studentin Muschter. Dazu arbeitet sie nebenbei, um ihre Eltern bei der Finanzierung ihres Sportes etwas zu entlasten. Moritz Büttners Zeitmanagement wirkt da etwas entspannter. Er absolviert eine Lehre zum Tanzlehrer bei der ADTV Tanzschule Oliver Thalheim & Tina Spiesbach in Leipzig und wird von seinem Arbeitgeber bei der Trainings- und Turnierteilnahme unterstützt.
Sportlich will sich das Tanzpaar bei der Deutschen Meisterschaft im November in Bielefeld so weit vorn wie möglich platzieren. Ebenso bei den Turnieren davor. Auch, um den angestrebten Landeskaderstatus zu schaffen. „Tanzen ist Träumen auf den Beinen“, steht auf einer pinkfarbenen Tafel im Vorraum des Trainingssaals des Tanzsportzentrums. Stimmt, sagen Muschter und Büttner. Man könne sich beim Tanzen in der Musik verlieren. Dies löse ein Gefühl aus, das mit keinem anderen zu vergleichen sei. Für Isa-Bella Muschter ein Gefühl, aus dem sie ihre Motivation zieht: „Auch deshalb fällt es sehr, sehr schwer, aus irgendwelchen Gründen zu sagen, ich gehe heute nicht zum Training.“