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„100 % gesund ist anstrengend“

Diplom-Ernährungswissenschaftler Marco Spielau

Eine gute Ernährungsweise stellt die Weichen für Gesundheit, Entwicklung und Leistungsfähigkeit. Für sportlich Aktive bis hin zu Leistungssportlern entscheiden die Mahlzeiten, ob der Körper ausreichend mit den richtigen Nährstoffen versorgt ist. Ernährungswissenschaftler Marco Spielau (Weltmeister, Sportler und Ernährungsexperte) ist ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet. 

Herr Spielau, auf was sollten sportlich Aktive bei der Ernährung achten? 

Marco Spielau: Zunächst möchte ich Entwarnung geben, denn wer sich als Breitensportler ausgewogen ernährt, der muss weder eine spezielle Diät einhalten noch in Zusatzprodukte investieren. Ein Beispiel: Wenn ich im Fitnessstudio ein 30-minütiges intensives Ausdauertraining absolviere, dann verbrenne ich im Durchschnitt 300 bis 400 kcal. Bis zu einem Wert von etwa 7 bis 8 Stunden Training pro Woche können wir entspannt rangehen, da eine ausgewogene Ernährung den Bedarf deckt und wir auch nicht – im Gegensatz zu Leistungssportlern – innerhalb weniger Stunden wieder regeneriert sein müssen. 

Was verstehen Sie unter einer ausgewogenen Ernährung? 

Wirklich bewährt und in der Umsetzung einfach ist das 80/20-Prinzip, das heißt 80 % der Lebensmittel sollte im klassischen Sinne gesund und wertig sein, bei 20 % sind wir frei für Genusslebensmittel und ähnliches. Denn 100 % „gesund“ ist wirklich anstrengend und führt nicht zu einem zufriedenen Lebensgefühl. Wichtig ist auch der Blick auf die gesamte Woche. Wer sich nach jedem Tag fragt, ob er heute „im Limit“ war, der verkopft völlig und macht Essen zur Wissenschaft. Heißt: ich brauche nicht jeden Tag alle Teile der Ernährungspyramide mit allen Empfehlungen zu Vitaminen etc. abarbeiten. Lieber in sich hineinhören, was man braucht und welche „Gelüste“ man hat, denn oft verstecken sich hier schon Hinweise auf Bedürfnisse. Wenn ich beispielsweise großen Appetit auf eine herzhafte Mahlzeit habe, dann fehlt es dem Körper gegebenenfalls an Salz.

Wie gestalte ich die 80 % gesunde Ernährung aus? 

Eine gesunde Ernährung ist zu etwa drei Vierteln pflanzenbasiert. Der Rest kann tierisch sein. Für diese Mischkost empfehle ich mehrheitlich Lebensmittel, die ich als solche erkennen, verarbeiten bzw. kochen kann. Das ist keine generelle Absage an Fertigprodukte oder ähnliches – doch die Energiedichte ist bei unverarbeiteten Lebensmitteln niedriger. Somit haben sie weniger Kalorien. Das ist für über die Hälfte der deutschen Bevölkerung mit Übergewicht wichtig. Wer als Erwachsener auf seine Energiebilanz achtet, der sollte zudem in einer festen Struktur essen: Drei Mahlzeiten am Tag reichen aus, Snacken zwischendurch ist nicht förderlich. Wir wissen nicht erst seit dem Intervallfasten, dass Esspausen guttun und sich bei Themen wie Entzündungen, Insulin und Empfinden von Hunger und Sättigung positiv auswirken. 

Das hört sich recht konventionell an. Was ist mit Hypes wie Eiweiß?

Ein echtes Trendthema, vor allem auf Social Media. Ja, ausreichend Eiweiß in der Ernährung ist wichtig, sättigt lange und gut. Da wir keinen Eiweißspeicher besitzen, müssen unsere Körperzellen regelmäßig mit Eiweiß versorgt werden. Eiweiß ist leicht zu konsumieren: eine Handvoll Nüsse, Eier, Fleisch, Fisch, Skyr und vieles mehr. Der ganze Hype um Proteine rührt daher, dass wir sie unter anderem für Muskelaufbau und -regeneration benötigen. Von Leistungssportlern abgesehen können wir den Bedarf über eine gesunde Mischkost mit natürlichen Proteinquellen locker abdecken. 

Statement: „Im Hinblick auf die Energiebilanz essen viele Leistungssportler zu wenig.“ Marco Spielau, Ernährungsberater

Apropos Leistungssportler. Sie sind unter anderem Ernährungsberater für die Olympiastützpunkte Sachsen und Sachsen-Anhalt, betreuen Sportverbände und die Nationalmannschaft Schwimmen. Wie läuft die Ernährungsberatung hier ab? 

Generell bieten wir die Ernährungsberatung ab Bundeskader-Status an. Die Basis ist ein erstes Kennenlernen mit Anamnese und einem ehrlichen Ernährungsprotokoll. All das werte ich dann unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte aus. Da ist zum einen der Abgleich des Ernährungs- mit dem Trainingsprotokoll. Im Hinblick auf die Energiebilanz – also was verbrenne ich und was führe ich dem Körper wieder zu? – muss man wissen, dass viele Leistungssportler zu wenig essen. Neben dem reinen „Wieviel“ prüfe ich auch das Mahlzeitentiming. Zum zweiten wird stets die aktuelle Phase innerhalb des Trainingsplans beachtet, denn es macht einen großen Unterschied, ob ein Sportler gerade Gewicht reduzieren oder Masse aufbauen muss. Besonderes Augenmerk lege ich zudem auf die Aufnahme von Kohlenhydraten und Eiweiß. Sie zählen neben Fett zu den Hauptnährstoffen und sind im Spitzensport entscheidend für die Leistungsfähigkeit. Schließlich prüfe ich das Ernährungsprotokoll auf Vitamine, Mineralstoffe etc. Hier kann es getreu des Mottos „Messen ist Wissen“ durchaus Sinn machen, auf das Blutbild zu schauen. Ein Beispiel ist Kalzium, das zum Beispiel in Milchprodukten, grünem Gemüse und einigen Mineralwassern in hoher Konzentration enthalten ist. Kalzium ist wichtig für die Festigkeit der Knochen und kann bei Mangel Ermüdungsbrüche oder im Alter Osteoporose begünstigen. 

Was ist ihnen bei der Auswertung wichtig? 

Wenn wir festlegen, wie wir die Ernährung optimieren können, betone ich: Eine Umstellung wird langfristig gedacht und erfolgt im besten Fall in kleinen Schritten. Neben der Empfehlung, bestimmte Lebensmittel aufzunehmen, kann das auch die Menge und den Zeitpunkt der Mahlzeiten betreffen. In manchen Fällen, wie bei Vitamin D- oder Eisenmangel, rege ich die Substitution durch externe Verabreichung an. Ernährungsberatung ist nie einmalig. Anfangs beraten und überprüfen wir intensiver und häufiger. Wenn der Sportler einen guten Rhythmus hat, dann reichen sporadische Treffen, zum Beispiel in Vorbereitung auf große Wettkämpfe. Generell gilt bei der Ernährungsoptimierung: kurzfristige Aktionen bringen nichts. Änderungen müssen in den Alltag übernommen werden und für eine Art Fazit sollte man sich ein Jahr Zeit nehmen. (kaj) 

Herzlichen Dank für das Gespräch! 

www.marco-spielau.com

Fotoquelle: Marco Spielau (privat), Landessportgymnasium Leipzig 

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