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Wie der Klimawandel den Sport verändert

Anpassung an Extrembedingungen

Der Klimawandel ist vielleicht die größte Herausforderung unserer Zeit – und er verändert auch Training und Wettkämpfe von Sportlerinnen und Sportlern. Denn auch in Leipzig müssen sich Athleten und Trainer den neuen Bedingungen anpassen.

Bei einem Kanuslalom-Ranglistenrennen 2020 in Australien traute Franz Anton seinen Augen nicht. Am Horizont sah der zweifache Wel meister vom Leipziger-Kanu-Club den Qualm riesiger Buschbrände. Auf der ehemaligen Olympiastrecke in Penrith herrschte dagegen Hochwasser. „Das war total surreal“, sagt der 34-Jährige. Die Kanuslalom-WM 2022 in Augsburg stand wiederum wegen Niedrigwasser lange auf der Kippe. Auch die sommerliche Extremhitze macht Anton beim Training im Markkleeberger Kanupark mitunter zu schaffen. Triathlet Martin Schulz kann das nur bestätigen. So werden Triathlons häufiger zum Duathlon, weil das Schwimmen wegen schlechter Wasserqualität abgesagt wird. „Meine Sportart verändert sich“, sagt der zweifache Paralympics-Sieger. Auch Peter Schön vom Fußballverein FC Blau-Weiß Leipzig stellt Veränderungen fest. „Vor allem am Ende der Saison vor den Ferien ist es oft schon drückend heiß“, berichtet der zweite Vorsitzende und Bambini-Trainer.
Was die Athleten und Trainer schildern, ist nicht nur eine gefühlte Wahrnehmung. Die Trainings- und Wettkampfbedingungen der Sportler verschlechtern sich. Vier der letzten fünf Jahre gehörten in Deutschland laut Deutschem Wetterdienst (DWD) zu den heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Nur zwei Sommer waren jemals wärmer als fünf der sechs Sommer zwischen 2018 und 2023. Während reihenweise Temperaturrekorde gebrochen wurden, fiel im Winter häufig weniger oder punktuell sehr viel Schnee auf einmal. Extremwetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Der Klimawandel ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft – und damit auch für den Sport.

Schwierigere Bedingungen für Skisport

Zwei, die das besonders spüren, sind Dirk Martins und Matthias Kirschner. Martins ist Abteilungsleiter des Ski- und Biathlonvereins SG Blau-Weiss Zwenkau, Kirschner steht der Skisport-Abteilung des SC DHfK vor. Beide bilden Biathlon-Talente vor allem für die sächsischen Stützpunkte in Altenberg und Oberwiesenthal aus. Und sie teilen eine Meinung: Die Bedingungen für den Wintersport werden schwieriger. Leipzig war aufgrund des Schneeman- gels nie eine klassische Wintersportregion. „Da wir meistens auf Rollerski trainieren oder auf Matten Ski fahren, betrifft uns der Klimawandel weniger“, sagt Kirschner. „Die Vereine in den Mittelgebirgen müssen sich viel stärker anpassen.“ Laut DWD werden „die Bedingungen für eine geschlossene Schneedecke in Zukunft vor allem im Flachland aufgrund der Temperaturbedingungen immer schlechter“. In der Wetterstation Leipzig-Holzhausen, aber auch in Oberwiesenthal im Erzgebirge und auf dem nahe gelegenen Fichtelberg stellen die Meteorologen einen Rückgang der jährlichen Schneetage fest. Wettkämpfe auf Schnee finden in den Höhenlagen immer seltener statt oder fallen gleich ganz aus. Ersatz gibt es aufgrund der Termindichte meist nicht.

Schneekonzept gegen Schneemangel

Der Skiverband Sachsen stellt sich unter anderem mit einem Schneekonzept darauf ein. Aufgrund seiner stark leistungssportlichen Orientierung unterstützt er die regionalen Skivereine bei Schneesicherung und Beschneiung von Schanzen, Loipen oder Skihängen, berichtet Generalsekretär Derrick Schönfelder. Schnee wird mit Planen und Sägespänen abgedeckt, die Späne werden gewässert, durch die Verdunstungskälte bleibt über den Sommer genug Schnee erhalten. Zudem rücken alternative Trainingsmöglichkeiten mit textilen Schneematten, Schanzenanlagen auf Matte und Rollski stärker in den Fokus. Im Flachland ist das schon heute größtenteils Trainingsalltag.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat ein Klimaanpassungskonzept entwickelt. Darin werden technisch-bauliche (zum Beispiel mehr Beschattung), organisatorische (Spiel- oder Trainingsverlegung) und personenbezogene Maßnahmen (Sonnenschutz, Kopfbedeckung) empfohlen, um Hitze sowie einer höheren UV-, Feinstaub- und Pollenbelastung zu begegnen. „Was aktuell fehlt, sind transformative Anpassungsstrategien, um zukünftigen Auswirkungen proaktiv begegnen zu können“, gibt Prof. Ralf Roth zu bedenken. Er ist Leiter des Instituts für Outdoor Sport und Umweltforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Der Sport in Deutschland stehe bei der Anpassung an den Klimawandel „erst am Anfang“, sagt Roth. Der Wintersport mal ausgenommen.

Umdenken in den Verbänden

Das eine ist die Anpassung, das andere der Klimaschutz selbst. Gerade der Spitzensport verursacht durch Flugreisen oder große Zuschaueraufkommen reichlich klimaschädliche Gase. In vielen Verbänden hat ein Umdenken eingesetzt. Der DOSB wirbt für energieeffiziente Sportstätten und Sportanlagen, alternative Mobilitätskonzepte und klimaneutrale Veranstaltungen. Für den klimaangepassten Umbau von Sportstätten gibt es Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene – auch in Sachsen, wie der Landessportbund betont. Der LSB hat für den Bereich Umwelt und Klimawandel allerdings noch „keine explizite Strategie“ für alle Vereine und Verbände entwickelt, heißt es auf Anfrage. Der Verband sieht sich eher als Vermittler und Berater. Die unterschiedlichen Sportarten seien in ihren Anforderungen und Bedürfnissen so verschieden, „dass es nicht möglich ist, einen einheitlichen ‚Fahrplan‘ vorzugeben“.

Eigeninitiative ist also gefragt. Der Fußballverein Blau-Weiß Leipzig hat für seine Vision „FC Blau-Weiß – Klimaneutral bis 2030“ den Leipziger Zukunftspreis gewonnen. Zu dieser Vision gehören der Einsatz erneuerbarer Energien, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und Kompensation durch Baumpflanzungen. Auf der Kurt- Kresse-Kampfbahn in Kleinzschocher soll eine Zisterne unter dem Rasen installiert werden. „Über die Drainagen der Plätze wird das Wasser gesammelt und bei Bedarf wieder bewässert“, berichtet Peter Schön.

Der Skiverband Sachsen erarbeitet ebenfalls eine Nachhaltigkeitsstrategie. So sollen Schneetrainingsmöglichkeiten und Lehrgangsmaßnahmen zentralisiert werden, um den CO2-Ausstoß zu verringern und Kosten zu senken. Dirk Martins und Matthias Kirschner könnten sich eine zentrale Trainingsstätte für die aktiven Vereine im Skibezirk Leipzig mit einer textilen Skipiste gut vorstellen. Beispielsweise am Markkleeberger See. Eine teure Ski- halle wie im thüringischen Oberhof – dafür sehen sie vor allem in den Großstädten Potenzial – ist in Sachsen aber (noch) kein Thema.

Schneekanonen gegen die Klimakrise?

Wintersport ohne richtigen Winter – hat der im Freistaat überhaupt eine Zukunft? Die sächsische Regierung will in den kommenden Jahren 22 Millionen Euro in die Wintersport-Standorte investieren, auch in neue Schneekanonen. „Man wird auf jeden Fall umdenken müssen“, sagt dagegen Dirk Martins: „Gerade in den Skiregionen, wo die Vereine schon heute Nachwuchssorgen haben.“ Vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass auch dort irgendwann größtenteils schneelos trainiert wird. Einen Wintersport, der nur mit Kunstschnee möglich ist, halten Dirk Martins und Matthias Kirschner für schwer vermittelbar. Sie sehen die Verbände in der Pflicht, noch mehr nach vorne zu denken und Konzepte zu entwickeln.

Die meisten Sportarten werden sich anpassen können – und tun es im Kleinen schon heute. Kanute Franz Anton verlegt das Training in die Morgen- oder Abendstunden, wenn es ihm zu heiß ist. Peter Schön von Blau-Weiß Leipzig gibt seinen Bambinis bei Hitze mehr Trinkpausen. Auch Dirk Martins schickt seine Schützlinge, wenn die Sonne zu sehr knallt, ins Eichholz. Stürme, Dürre und der Borkenkäfer setzen dem Waldstück am Zwenkau- er Ortsrand allerdings massiv zu. Neue Baumarten werden gepflanzt, der Wald muss sich an den Klimawandel anpassen – genau wie der Sport.

Dieser Text von Thomas Fritz erschien als Artikel in der Ausgabe 01-2024 des Sport Stadt Leipzig Magazins und ist in seiner Ganzheit inkl. Interviews und Bildmaterial einzusehen hier.

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