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Etwa 10.000 Ehrenamtler tragen den Leipziger Sport. Was sie motiviert und bewegt und wie sie unterstützt werden können.

Ohne die freiwilligen Helfer der Kanu-Abteilung der SG LVB wäre der eureos OPEN WATER CUP schwer umsetzbar. 32 Teams von Leipziger Unternehmen duellierten sich an einem Dienstag Anfang Juli zum neunten Mal auf der 150 Meter langen Sprintstrecke auf dem Elsterflutbett – und das Ehrenamt lief zur Hochform auf. 24 Vereinsmitglieder der SG LVB unterstützten als Steuermänner der achtköpfigen CanadierBootsbesatzungen, organisierten den Rennablauf und die Zeitnahme, kümmerten sich um Ergebnisdienst, halfen beim Einstieg in die Boote, räumten den Müll weg und hielten die Sanitäranlagen sauber. Ein unbezahlbares Rundum-sorglos-Paket für den Veranstalter, das beispielhaft demonstriert, wie unentbehrlich die ehrenamtlich Engagierten im Sportalltag sind.

Eine der fleißigen Helferinnen beim OPEN WATER CUP ist Janine Werner. Vor 30 Jahren kam sie als Kind in den Verein, wurde Leistungssport lerin und ist ihrer Sportart und ihrem Verein seither verbunden. „Der Verein ist für uns alle wie eine zweite Heimat“, sagt sie beim Gespräch auf der Anlage am Schleußiger Weg mit Blick aufs Wasser. „Das ist hier wie in einem Ameisenhaufen, jeder weiß genau, was seine Aufgabe ist.“ 407 Mitglieder haben die Kanuten der SG LVB, davon 180 Kinder und Jugendliche. Über 50 engagieren sich regelmäßig ehrenamtlich, schätzt Werner. Etwa ein Viertel der Erwachsenen – eine gute Quote in einer so großen Abteilung. Vom Training des Nachwuchses über die Durchführung von Veranstaltungen bis zur Abteilungsleitung seien so viele Aufgaben zu erledigen, sagt Janine Werner. „Aber wir sind viele, da werden einfach viele Handgriffe erledigt.“

Teil des Jahresurlaubs für die Deutschen Meisterschaften

Nahezu jeden Abend ist sie nach ihrem Job als Logopädin auf der Anlage, am Wochenende sowieso. 20 bis 25 Stunden pro Woche kommen da locker zusammen. Doch sie möchte etwas von dem Engagement zurückgeben, von dem sie hier als Kind selbst profitiert hat. „Wer ein Ehrenamt ausübt, macht das mit Herzblut“, betont sie. In ihren Adern fließe blaugelbes Blut, die Vereinsfarben der SG LVB. Das gilt auch für ihre Mitstreiter wie etwa Norman Schlag, der Kinder und Jugendliche trainiert. Wenn er mit den Kids zur Deutschen Meisterschaften fährt, muss er einen Teil seines Jahresurlaubs dafür opfern. Janine Werner wünscht sich für diese Bereitschaft „mehr gesellschaftliche Wertschätzung außerhalb des eigenen Vereins. Zum Beispiel gesetzlich geregelten Sonderurlaub, um wenigstens einen Teil des immensen Zeitaufwands zu kompensieren. „Vielleicht“, sagt sie, „würden dann auch mehr ein Ehrenamt übernehmen.“

Etwa 10.000 der insgesamt knapp 100.000 Mitglieder in den Leipziger Sportvereinen engagieren sich ehrenamtlich in diversen Funktionen. „Wir wissen, dass es in vielen Vorständen und Abteilungsleitungen immer eine Kraftanstrengung ist, Mitstreiter zu finden, die sich einbringen und in Verantwortung begeben“, sagt Michael Mamzed, Geschäftsführer des Stadtsportbundes Leipzig (SSBL). Zwar bleibt die Zahl der Ehrenamtler seit Jahren einigermaßen konstant, doch die Stadtbevölkerung und die Zahl der Vereinsmitglieder steigen. „Wir beobachten, dass die gleiche Menge an ehrenamtlichen Personen mehr Arbeit zu leisten hat“, sagt Katja Pausch, Referentin für Sportentwicklung beim SSBL. „Uns spiegeln einige Vereine, dass sie keine Kapazitäten mehr haben, neue Mitglieder aufzunehmen, weil ihnen die Übungsleiter fehlen“, berichtet Mamzed.

Neue Wege im Ehrenamt

Vor sechs Jahren stellte der Stadtsportbund Leipzig das Thema Ehrenamt in den Fokus seiner Arbeit und begann, diverse Formate zu entwickeln und anzubieten, um das Ehrenamt zu fördern und umzustrukturieren. Bei einigen Vereinen sei ein Umdenken erforderlich, um das Ehrenamt auch neu zu organisieren und Aufgaben stärker zu verteilen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. „Wir beobachten den Trend, dass junge Menschen sich eher für soziale Belange und projektbezogen kurzfristig engagieren und sich nicht mehr über Jahrzehnte binden können und wollen“, schildert Pausch.

Das war in der Generation von Wolfgang Wagner noch anders. Der 79-jährige Turner leitete seit 1976 die Turnabteilung des TuS Mockau einst BSG Motor Mockau –, gründete den Verein 1989 neu und war bis 2022 Geschäftsführer des Gesamtvereins und zudem Trainer für Kinder ab der 1. Klasse bis zu den 25-/26-Jährigen. Noch heute engagiert er sich als Übungsleiter und ist selbst als Gymnast aktiv. Dem einstigen Elektrikermeister sieht man sein Alter nicht an. Knapp fünf Jahrzehnte Ehrenamt halten offenbar jung.

„Anders kann ich es mir nicht erklären“, sagt Wagner lachend. „Im Ehrenamt geht es nicht um Vorteil, es hat mir einfach immer Spaß gemacht. Man muss die Lust mitbringen und bereit sein, seine Freizeit hinten anzustellen“, gibt er zu bedenken. „Als Lohn bekommt man den Dank derer zurück, denen man das Turnen beigebracht hat.“

Ehrenamtskoordinatoren helfen

Um es nicht dem Zufall zu überlassen, neue Enthusiasten wie Wolfgang Wagner zu entdecken, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen, Arbeit zu erleichtern und so vielleicht dauerhaft zu motivieren, geht der SSBL mit den Vereinen auch neue Wege. So gibt es Schulungen speziell zum Ehrenamt, um das Thema auch in den Mittelpunkt der Vereine zu rücken. Der Verband bietet den Vereinen an, sogenannte Ehrenamts-Koordinatoren auszubilden. Dabei geht es darum, einen Ansprechpartner der Vereine speziell für strategische Ehrenamtsförderung zu schulen. „Eigentlich braucht das jeder Verein, denn ohne Ehrenamt funktioniert unser gesamtes Sportsystem nicht“, sagt SSBL-Referentin Katja Pausch. Ein Ehrenamt speziell fürs Ehrenamt also. Bislang wurden etwa 25 dieser Ehrenamtskoordinatoren ausgebildet.

Werbung für das Ehrenamt sind immer auch Großveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr. 1.600 Volunteers werden dafür allein für den Austragungsort Leipzig benötigt. Zwei Wochen nach Start der Freiwilligen Kampagne waren bereits über 1.700 Bewerbungen eingegangen. „Das ist Wahnsinn, die Leute haben große Lust auf das Thema“, sagt Stefan Schedler, Gesamtprojektleiter für die Euro 2024 in Leipzig. Nach zwei Wochen gibt es in ganz Deutschland schon mehr Anwärter auf die Volunteer-Jobs als 2016 bei der EM in Frankreich nach einem halben Jahr. „Die Leute motiviert am Ende, bei einer ganz besonderen Veranstaltung dabei zu sein, wovon man den Kindern und Enkeln noch erzählen kann.“ Mit durchaus nachhaltigem Effekt für die Region. So sind bereits aktuell Freiwillige im Einsatz, die schon 2006 bei der Weltmeisterschaft dabei waren. „Die große Chance liegt jedoch darin, diejenigen, die jetzt zum ersten Mal dabei sind, von einer dauerhaften Tätigkeit im Ehrenamt zu überzeugen, damit sie dem Leipziger Sport erhalten bleiben“, betont Schedler.

Was dann im Ehrenamt mit Begeisterung und Visionen für die eigene Sportart lokal alles möglich ist, ist nicht nur beim OPEN WATER CUP zu beobachten, sondern zeitgleich beim erstmals durchgeführten Sommerempfang des SSBL speziell für Engagierte im Ehrenamt. Protagonisten wie Turner Wolfgang Wagner werden dort ebenso ausgezeichnet wie Christian Rudolf und Rico Büttner-Janner vom BeachvolleyballVerein BeachL.

15.000 Arbeitsstunden für eine eigene Beachhalle

In etwa 15.000 Arbeitsstunden bauten 200 der Vereinsmitglieder eine eigene Beachvolleyball-Halle. Etwa 700.000 Euro der Gesamtinvestitionssumme von 1,1 Millionen Euro mussten mit Privatdarlehen aufgetrieben werden. Ein Mammutprojekt – finanziell, organisatorisch und hinsichtlich des Einsatzes –, das zeigt, wozu der Leipziger Breitensport in der Lage ist. Dafür wurde BeachL mit dem erstmals vergebenen Ehrenamtspokal ausgezeichnet.

Inzwischen sei die neue Vierfelderhalle für den Winter bereits ausgebucht, sagt BeachL-Vorstand Rudolf und ergänzt lachend: „Wir brauchen neue Menschen, die eine weitere neue Halle bauen.“ Genug zu tun gibt es für die, die den Leipziger Sport am Leben halten, immer.

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